Wenn der Mensch sich an die Stelle Gottes setzt

Die Gottesdienstreihe „Profile“ war zum Holocaust-Gedenken zu Gast im Kirchlichen Zentrum Eben-Ezer

Intensive Auseinandersetzung: Schülerinnen und Schüler der Topehlen-Schule zeigen auf, wie schwierig die Annäherung ihrer Generation zu den Themen des Holocaust ist.

Lemgo. Anlässlich des Holocaustgedenktages ist die Gottesdienstreihe „Profile“ im Kirchlichen Zentrum der Stiftung Eben-Ezer in Lemgo zu Gast gewesen. Unter dem Motto „Was wirklich zählt – Leben in Vielfalt“ hatten Schüler der Topehlen-Schule Beiträge mit der Berliner Theaterpädagogin Bettina Frank erarbeitet. Pastor Dr. Bartolt Haase leitete den Gottesdienst, die Predigt hielt Landespfarrer Andreas Mattke (Schulreferat der Lippischen Landeskirche).

„Der Hintergrund unseres Gottesdienstes ist ein ernstes Thema“, erklärte Dr. Bartolt Haase in seiner Begrüßung. „Die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz jährt sich zum 75. Mal. Es war gut, dass andere Länder sich auf den Weg gemacht hatten, um Deutschland zu befreien.“ Die Grausamkeiten, die damals in Auschwitz und anderen Lagern geschehen sind, seien erschreckend. „Bis heute machen sich Menschen für rassistische und menschenverachtende Ideologien stark und versuchen so, Einfluss in Politik und Gesellschaft zu bekommen und dabei auch junge Menschen zu beeinflussen“, fügte er hinzu.

Wie schwierig es ist, sich die damaligen Ereignisse vorzustellen, machten die Schüler der Topehlen-Schule deutlich. Ob Streitereien am Handy oder Konflikte mit den Eltern und Erziehern, weil das Zimmer nicht aufgeräumt ist: Die Themen und Probleme der heutigen Generationen sind häufig ganz andere. „Es war Krieg, in Lemgo auch“, sprach Schüler Leon zu Beginn des Anspiels in das Mikrofon. Erlebt hat er ihn jedoch nicht. „Auch die Eltern und Erzieher waren nicht dabei. Aber manche Ältere können sich noch an diese schlimme Zeit erinnern“, meinte Andreas Mattke.

Das Wort „Shoa“ komme aus dem Hebräischen und bedeute „Unheil“ oder „Katastrophe“, erklärte Mattke anschließend. Sechs Millionen Menschen, zumeist jüdischen Glaubens, wurden ermordet. „Alle Juden sind eine schädliche Rasse“, habe Hitler behauptet, und die Menschen entsprechend in wertvoll und nicht wertvoll eingeteilt. „Er hat sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, genau hinzuschauen“, betonte Mattke, und rief genau dazu die Anwesenden auf: sein Gegenüber anzuschauen und ihm zu sagen, was man schön findet – ein berührender Moment.

In seiner Predigt ging Mattke auf die Geschichte von Saul ein, dem ersten König Israels, der so lange gut regierte, wie er auf Gott hörte. „Immer wenn sich Menschen von Gott abwenden und eigene Wege einschlagen, geht das nicht gut aus“, erklärte er. Wenn der Mensch sich an die Stelle Gottes setze, folge eine Katastrophe: „Das können wir in unserer eigenen Geschichte sehen, als sich die Nazis als Herren über Leben und Tod aufspielten.“ In der biblischen Geschichte wird mit David ein kleiner Hirtenjunge zum großen König. Denn entscheidend, so Mattke, seien nicht eigene Machtansprüche oder Statussymbole. „Ein guter König muss wissen, was gut für die Menschen ist.“

Bei der Vorbereitung waren die Schüler gefragt worden, wie sie sich die Zeit des Nationalsozialismus vorstellen. Aus diesen Überlegungen entstanden drei weitere Szenen: Sie zeigen Menschen, die nicht genug zu essen haben, deren Haus zerstört ist und die Angst haben, etwas gegen Hitler und den Krieg zu sagen, weil sie dafür eingesperrt und getötet werden könnten. Dr. Bartolt Haase, Landespfarrer Andreas Mattke und Theaterpädagogin Bettina Frank lobten unisono die intensive Auseinandersetzung der Schüler mit diesem Thema und auch die Anwesenden spendeten anhaltenden Applaus.

30.01.2020