Weggeschlossen und vergessen?
Ehrenamtliche Betreuungsarbeit im Knast
„Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen“. So steht es in der Bibel bei Matthäus. Für Anneliese Podworny eine Aufforderung zum Handeln: „Ich wollte aus meinem christlichen Glauben heraus etwas für Menschen tun, die keine Lobby haben“, erklärt sie ihr Engagement für Straffällige. Seit 1995 gibt es in Detmold den Verein Freundeskreis der Gefangenenseelsorge. Seitdem unterstützen die engagierten Ehrenamtlichen die Arbeit der Gefängnispfarrer, bieten Gesprächsabende für alle Gefangenen an, arbeiten ganz konkret als Betreuer, helfen mit Zeitungsabonnements und Paketen, oder spenden schon mal Pflanzen für eine Kräuterspirale. Die steht im Hof der Sozialtherapeutischen Abteilung der JVA, wurde im Rahmen eines gemeinsamen Projektes von den 14 Häftlingen der Abteilung errichtet, und liefert Grünes für die Kochgruppe.
Heute steht ein Besuch des Freundeskreises in der Sozialtherapeutischen Abteilung auf dem Programm. Abteilungsleiter Rudolf Kleibl holt die Besucher am Rolltor ab. Ein abgekürztes Prozedere gegenüber dem Einzeleinlass. Lediglich die Handys werden von den Justizvollzugsbeamten verwahrt. Für die Mitglieder des Freundeskreises ist das alles fast schon Alltag. Sie sind hier oft schon seit vielen Jahren aktiv. Ihre Arbeit wird geschätzt. „Die Mitglieder des Vereins leisten unkomplizierte Hilfe unter Bedingungen, die notwendigerweise sehr formal sein müssen“, erläutert Abteilungsleiter Rudolf Kleibl und bringt damit einen dezenten Hinweis auf die Aufgaben einer Justizvollzugsanstalt und die damit verbundenen Zwänge unter. Die sind vor Ort ganz konkret als Fenstergitter, Zellentüren mit unübersehbaren Schlössern und Justizpersonal, allerdings ohne Uniform, auszumachen. Aber da sind auch die sorgfältig gepflegten Blumen in Kübeln und auf Fensterbänken, das Sofa, das kleine Bücherregal. Alles Versuche, den vorübergehend zum Zuhause gewordenen Knast etwas wohnlicher zu gestalten.
Kuchen und Kaffee warten schon, die 14 Bewohner der Abteilung haben sich Mühe gegeben. Alle Besucher werden von allen Gefangenen mit Handschlag begrüßt. Aber das ist kein Kaffeeklatsch unter Freunden und Verwandten.
Hier verbüßen Gewalt- und Sexualstraftäter ihre Strafe. Sie haben ihre Taten gestanden, sie sind belastbar, haben keine psychotischen Erkrankungen und ausreichende Motivation, an ihrer Situation zu arbeiten. Das sind Voraussetzungen für eine Aufnahme in der sozialtherapeutischen Abteilung. Sie durchlaufen hier Programme, in denen sie lernen, ihre Taten nicht zu beschönigen, das Leiden ihrer Opfer zu erkennen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Ihre Entscheidung. Mit einem schriftlichen Kontrakt besiegelt und für Therapeuten und Gefangene sicher kein Zuckerschlecken, auch wenn hier fast alles auf den ersten Blick nach heiler Welt aussieht. „Man kann es sich auch einfach machen und sich wegschließen lassen. Wir stellen uns hier unseren Problemen“, meint der Gefangene K. Mit seiner Betreuerin, Ute Windmann, verstehe er sich gut, und die Betreuung sei ein zusätzlicher Schritt auf dem Weg zurück, sagt er. „Betreuer sind ein wichtiges Behandlungselement. Davon hat man nie genug. Sie helfen mit, die Isolierung des Gefangenen aufzubrechen, damit er am Tag X auch am Leben draußen wieder teilnehmen kann“, ergänzt Diplom-Psychologe und Psychotherapeut Winfried Schmidt.
11.04.2007