20 Stunden Klavier-Marathon
Erik Saties „Vexations - Quälereien“ ab 31. März in der Hornschen Kirche
Horns Gemeindepfarrer Maik Fleck und mehr als 15 Pianisten streben mit dem Nonstop-Konzert keinen Eintrag ins Buch der Rekorde an. Sie leiten mit der Aufführung die Karwoche ein und weisen auf das nahende Osterfest hin.
Das französische Wort „Vexations“ heißt übersetzt „Quälereien“. Das Konzert wird mit seiner statischen Eintönigkeit die Klavierspieler ebenso wie die Zuhörer quälen. Beide werden auf eine harte Geduldsprobe gestellt werden und nach einer gewissen Zeit - je nach Durchhaltevermögen - das Ende herbeisehnen. Vor diesem Hintergrund möchte Pfarrer Maik Fleck das Musikprojekt als Anregung verstanden wissen, um über menschliches Leiden und das Leid Jesu nachzudenken. Zudem eignen sich die nächtlichen Konzertstunden wie auch die Kirche als Veranstaltungsort für eine musikalisch inspirierte Meditation.
Pfarrer Fleck zum Motiv, das Wagnis einzugehen, die „Vexations - Quälereien“ in voller Länge aufzuführen: „Das Stück besteht aus Wiederholungen und spiegelt so die moderne Welt wider: die Monotonie von Fließbandarbeit, das tägliche Einerlei, die Massenproduktion und den Konsumzwang.“ In den scheinbar endlosen Wiederholungen der unharmonischen Akkorde Saties finde man nicht die Geborgenheit liebgewordener Gewohnheiten, sondern die Quälerei modernen Lebens. Ein geeigneterer Zeitpunkt für das Konzert als das Palmsonntagwochenende am Beginn der Karwoche sei kaum vorstellbar, ist Pfarrer Fleck überzeugt: „Menschliches Leid in sinnloser Monotonie und Jesu einmaliges und befreiendes Leiden werden im Zeitraum dieser Woche gegenübergestellt.“
„Vexations“ besitzt den zweifelhaften Ruhm, längstes Musikstück der Klavierliteratur zu sein. Je nach Temperament der Musiker dauert eine Aufführung 14 bis 28 Stunden. Das Stück besteht aus nur wenigen Notenzeilen, die dasselbe Thema variieren. Die ungeheure Dauer kommt durch Saties schikanöse Anweisung zustande, diese Zeilen 840mal in sehr langsamem Tempo zu wiederholen. Das Stück ist vermutlich nie für eine Aufführung geschrieben worden. Satie hat es 1893 als höhnische Abrechnung mit seinem Unterricht am Pariser Konservatorium komponiert. Der amerikanische Komponist John Cage organisierte zusammen mit neun Pianisten 1963 in New York die erste öffentliche Aufführung. Der Pop-Künstler Andy Warhol soll seinerzeit der einzige Zuhörer gewesen sein, der sich der knapp 19 Stunden währenden Tortur vom ersten bis zum letzten Ton ununterbrochen aussetzte.
Die Idee einer Hornschen „Vexations“-Aufführung entwickelte Pfarrer Fleck vor knapp einem Jahr zusammen mit den beiden damaligen Musikstudenten und heute angehenden Lehrern Antje-Karina Tölle und Carsten Gerwin. Beide fanden in ihrem Bekanntenkreis genügend Mitstreiter, so dass der Klavier-Marathon unter allen Umständen gesichert ist, wenngleich die Aufführung auch jetzt noch für weitere Mitspieler offen ist - insbesondere für die Nachtstunden.
Zuhörer können das von 18 bis etwa 14 Uhr dauernde Konzert jederzeit besuchen und sie können es verlassen, wenn sie sich genug gequält fühlen. Wer möchte, bringt sich eine Schlafgelegenheit mit und übernachtet in der Kirche. Pfarrer Fleck: „Wer sich dafür anmeldet, erhält morgens ein Frühstück.“ Wer nicht Klavierspielen kann, aber dennoch mitwirken möchte, kann die Wiederholungen zählen und nach jeder vierten Repetition eine Kerze (insgesamt 210) entzünden. Um die Wiederholungen zu registrieren, werden mittels Computer und Mausklick nach und nach auf einer Leinwand die 840 Worte eingeblendet, die Vers 30, Kapitel 19 des Johannes-Evangeliums vorausgehen. Die „Vexations - Quälereien“ werden dann also ein Ende haben, wenn auf der Leinwand erscheint: „Es ist vollbracht“.
Interessierte Mitspieler und Zähler wenden sich bitte an Pfarrer Maik Fleck, Kirchstraße 1, Horn-Bad Meinberg, Tel. 05234 / 2439, E-Mail: m.fleck@meinekirche.info
29.03.2007