Die neue Anti-Offenheit
Marktplatzgespräch über den Umgang mit rechten Strömungen
Unter der Moderation von Bildungsreferentin Monika Korbach und Pfarrer Dieter Bökemeier diskutierten der Soziologe Andreas Kemper (Universität Münster), Lutz Krügener, Beauftragter für Friedensarbeit der ev.-luth. Landeskirche Hannovers, und Claus Wagner, Beauftragter der Lippischen Landeskirche für politischen Extremismus. Der aus dem Iran geflüchtete afghanische Musiker Erfan Amiri (23) aus Lage umrahmte die Veranstaltung mit eigenen Liedern auf Persisch, die er mit Gitarre begleitete. Er ersetzte das kurzfristig ausgefallene Saxophonquartett „AbraxSax“.
Die Experten erläuterten, dass Rechtspopulisten vorgeben würden, die Stimme des Volkes gegen vermeintliche „Eliten“ zu vertreten, obwohl ihre Funktionäre zur Elite gehörten. Sie streuten bewusst Falschmeldungen („Fake News“), um die Unterscheidung von Wahrheit und Lüge zu erschweren. Kritische Medien kanzelten sie als „Lügenpresse“ ab und stellten sich selbst als Opfer dar. Selbst initiierte Krisenstimmungen würden sie als Bedrohung der Volksgemeinschaft beschwören, gegen die sie Ausgrenzung, Mauern, Nationalismus und Abkehr von Bündnissen und Europa setzten.
Andreas Kemper warnte davor, die Entwicklung zu verharmlosen. Auch wenn die AfD aktuell sinkende Umfragewerte habe, seien Rechtspopulisten international auf dem Vormarsch. Die soziale Ungleichheit und das Armutsrisiko seien heute größer denn je. Und obwohl die soziale Schere zwischen Arm und Reich immer stärker auseinanderklaffe, würden Rechtspopulisten das Prinzip der „Ungleichheit“ vertreten. Neoliberalismus, Abbau des Sozialstaates und Privatisierungen verstärkten soziale Gegensätze. Größere soziale Gerechtigkeit und gleiche Bildungschancen könnten die Spaltung der Gesellschaft verhindern und Rechtspopulisten den Boden entziehen.
Claus Wagner, der auch am Bonheoffer-Berufskolleg in Detmold Religionslehrer ist, erzählte von einem Schüler, der seine rechtsradikale Sicht korrigierte, als er Erfolge in seiner Berufsausbildung erzielte. Menschen brauchten Anerkennung. Das sei der beste Schutz gegen Rechtspopulismus. Unsere Gesellschaft verweigere vielen die Anerkennung und Kirche kümmere sich zu wenig um Randgruppen. „Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen“. Die Gesellschaft, die auseinanderdrifte, müsse solidarischer zusammenwirken.
Lutz Krügener meinte, dass Kirche niemanden allein wegen seiner parteipolitischen Zuordnung ausgrenzen solle. Kirche müsse sich jedoch deutlich für die theologisch begründete Gleichheit aller Menschen einsetzen. Daher sollte sie sich auch von Parteien, die die Ungleichwertigkeit von Menschen im Programm haben, deutlich abgrenzen und deren Mandatsträgern keinerlei öffentliches Forum bieten. Außerdem könne, wer vom Glaubensprinzip der Gleichheit abweiche, auch innerhalb der Kirche kein öffentliches Amt innehaben, so Krügener weiter. Wichtig sei es, der Negativhaltung von Rechtspopulisten positive Zukunftsvisionen entgegen zu stellen. Nach der Pause kamen die Gäste mit den Referenten in eine lebhafte Diskussion.
06.03.2017