„Morgens Marmorkuchen machen“ - Okko Herlyn als Chorleiter.

Wie ein Till Eulenspiegel

Kirchenkabarett mit Theologieprofessor Okko Herlyn

Kreis Lippe/Detmold. Okko Herlyn lud am Sonntag, 1. November, in der gut besuchten Erlöserkirche am Markt sein Publikum ein, heiter-ironische Blicke auf kirchliches Leben zu werfen. Der niederrheinische Kleinkünstler und reformierte Theologieprofessor entfaltete in seinem Programm „Johnny, wenn Du Geburtstag hast … ein wenig korrektes Kabarett zum Calvin-Jahr“ eine ebenso tempo- wie geistreiche Collage aus Szenen und Liedern.

Wie ein Till Eulenspiegel nahm Okko Herlyn überspitzte Formen evangelischer Kirchlichkeit aufs Korn. So zeichne Bescheidenheit die reformierten Christen aus: Selbstverständlich würden sie ihr 4,2-Liter-Auto (gemeint ist der Hubraum, nicht der Benzinverbrauch) am Sonntag nicht vor der Kirche parken, sondern einen Block weiter in der Seitenstraße. Schlichtheit charakterisiere reformierte Kirchengebäude: weiß gekälkt, ungeheizt, ohne Blumen, kahle Fenster. Mit anderen Worten: „Gemütlich wie eine italienische Eisdiele im Winter. Alles andere wäre heidnisch. Oder noch schlimmer: katholisch!“ Kalauer mit dem typischen Ablachritual waren Okko Herlyns Sache nicht. Und wenn doch, dann überzeugten sie wegen ihrer homöopathischen Dosierung: „Wenn Calvins Ehefrau nicht so früh gestorben wäre, hätte sie ihrem Mann geraten, auf den zahlreichen Gedenkbriefmarken nicht immer denselben Talar zu tragen.“
Am stärksten war Herlyn, wenn er auf ausgesprochen geistreiche Weise, allerdings ohne hämisch-zerstörerische Absicht, den überstrapazierten „evangelischen Sprachjargon der Berufsverständnisvollen und Ermutigungsprofis“ ins Visier nahm. Zum Beispiel die pseudo-einfühlenden Antworten des Telefonseelsorgers, der die „Sorge, Trauer und Bekümmernis des Anrufers als Zeichen des Wunsches nach Kontaktaufnahme“ versteht und sich dadurch nicht nur als „hochprofessioneller Gesprächspartner, sondern auch persönlich wertgeschätzt“ fühlt. Dazu passte kongenial das Lied, das Herlyn-Vorbild Hanns Dieter Hüsch vielleicht „Song des Therapeuten“ genannt hätte: „Ich bin betroffen und empört - ich fühl mich gut.“
Warum singen Menschen in Kirchenchören? Weil es beim Einsingen so lustig zugeht? Auch auf diese Fragen wusste Okko Herlyn Antworten. Wenn der eitle Chorleiter zum psalmodierenden Nachsingen auffordert „Martha möchte morgens manchmal Marmorkuchen machen“ und anschließend selbstverliebt fragt „Na, haben sich die Gesichtsmuskeln entspannt?“ fühlt sich das einfache Chormitglied wie Hänschen in der Singstunde. Aber es gibt ja noch andere Gründe, Mitglied im Kirchenchor zu sein: zusammen Plätzchen backen und anschließend Karten spielen, gemeinsam Ausflüge unternehmen …
Zweieinhalb Stunden inklusive Pause unterhielt Okko Herlyn auf hohem Niveau. Sein Publikum dankte es ihm mit Szenenapplaus und einem rauschenden Schlussbeifall.

05.11.2009