Mit Herz und Glauben
Queer in der Kirche: „Heute ist es glücklicherweise entspannter“ Marktplatzgespräch in Detmold
Kreis Lippe/Detmold. Menschen, die zum Beispiel homosexuell oder bisexuell sind, Transpersonen und Menschen, die sich außerhalb der zweigeteilten Geschlechterordnung verstehen, sollen sich in der Kirche so sicher und geborgen fühlen wie jede und jeder andere auch.
„Queer in der Kirche“ war das Thema des Markplatzgespräches im Gemeindehaus am Markt in Detmold am Mittwoch (9.10.), zu dem die Lippische Landeskirche eingeladen hatte. Und es war auch das Anliegen von Zoe Davis, Jasmin Riemeier und Emilie Jaschko, die als Mitglieder des Studierendenkonvents der Lippischen Landeskirche den Gesprächsabend mitgestalteten.
Wie also steht es um die Akzeptanz in der evangelischen Kirche? Als zu Beginn einige queere Menschen ganz verschiedenen Alters von ihren Erfahrungen berichteten, wurde deutlich, wie viel sich in den vergangenen dreißig Jahren geändert hat. Nicht umsonst sprach Landespfarrer Dieter Bökemeier, einer der Moderatoren des Abends, davon, dass die Kirche hier „viel Schuld auf sich geladen“ und dies in Lauf von Jahrzehnten „mühsam aufgearbeitet“ habe.
Eine, die es als junge Theologin nicht leicht hatte, ist Annette Wolf, die schon zu Beginn ihres Dienstes als Pfarrerin in einer lesbischen Beziehung lebte. Doch sie erinnert sich an einen Rat, den ihr der damalige Landessuperintendent Ako Haarbeck gegeben hat: „Machen Sie Ihre sexuelle Orientierung nicht zum einzigen Thema ihres Lebens. Aber: Verleugnen Sie sie nie.“ Das habe ihr sehr geholfen in einer Zeit, als Homosexualität ein brennendes Thema war. „Heute ist es glücklicherweise etwas entspannter.“
Leo Neugebauer hieß ursprünglich nicht Leo: Er ist eine Transperson. „Ich hatte sehr viel Glück“, erzählt er: Abfällige oder gar tätliche Reaktionen habe er seit seinem Outing 2015 im Alter von 15 Jahren nicht erfahren, auch wenn er wusste: „Hintenrum wurde sehr viel geredet.“
Wenn ihre Partnerin nicht kürzlich gestorben wäre, hätte Dorothee Lenk, katholisch, jetzt eine Art Silberne Hochzeit feiern können: Vor 25 Jahren hat sie mit ihrer evangelischen Frau in einem Segnungsgottesdienst, den eine lippische Pfarrerin leitete, ihren gemeinsamen Lebensweg feierlich bekräftigt. Als Lehrerin an einem katholischen Gymnasium musste sie seinerzeit noch einen Arbeitsvertrag unterschreiben, nach dem ihre gleichgeschlechtliche Liebe ein Kündigungsgrund gewesen wäre. Das hat sich inzwischen geändert. Ganz allgemein wünscht sie sich, nicht auf ihr Lesbischsein reduziert zu werden: „Es ist ein wichtiger Bestandteil meiner Persönlichkeit, aber eben nicht der einzige“.
Queeres Leben müsse sichtbar sein, findet Sabine Lange. Deshalb hat sie den Verein „LippeQueer“ mitbegründet. „In der kirchlichen Jugendarbeit in Blomberg hatte ich das Glück, aufgeschlossene Pastoren zu treffen.“ Gut findet sie, dass bei LippeQueer etwa die Hälfte der Vereinsmitglieder heterosexuell sind – eine wichtige Unterstützung. Für Johanna Baumann, die derzeit an der Uni Münster in Evangelischer Theologie promoviert, ist der Respekt der anderen eine Lebensvoraussetzung für queere Menschen. Mit den biblischen Texten zum Thema lasse sich keinerlei Ausgrenzung rechtfertigen. „Wir brauchen Mut“, sagte Sarah Döbler, ebenfalls eine junge Theologin. Sie studiert in Marburg und ist dort in der Gruppe „Queerhessen-Waldeck“ aktiv. „Widerstände gibt es immer – aber Reibung erzeugt Wärme“, sagte sie und betonte zugleich, dass die Gruppe viel Unterstützung von ihrer Kirchenleitung bekomme: „Die Gegenstimmen sind nicht mehr so laut wie früher.“
Unterstützung gibt es auch in der Lippischen Landeskirche, die eine Ansprechperson hat. Pfarrerin Brigitte Fenner (Heiden), verheiratet mit einem Mann, weiß: Dass sie selber heterosexuell ist, kann durchaus die Frage nach ihrer Eignung für diese Funktion aufwerfen. Ihre Antwort: Sie habe die Vielfalt immer als beglückend erlebt und entlaste die Betroffenen, denn: „Warum müssen sich queere Personen immer selber kümmern?“ Außerdem habe sie als Frau diskriminierende Erfahrungen gemacht und empfinde Solidarität mit anderen, denen es ebenso geht.
Das Saxophonquartett „AbraxSax“ umrahmte die Gespräche musikalisch. Der Eine-Welt-Laden Alavanyo sorgte für fair gehandelte Getränke.
15.10.2024