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01.04.2003

Wie glaubhaft sind traumatisierte Flüchtlinge?

Pressemitteilung: Wie glaubhaft sind traumatisierte Flüchtlinge?

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Sabine Rauch vom Psychosozialen Zentrum Düsseldorf erläuterte in Detmold, warum traumatisierte Flüchtlinge oft unglaubwürdig wirken und deshalb Probleme im Umgang mit den Behörden haben.

Denn die Glaubwürdigkeit von traumatisierten Flüchtlingen ist mit sonst üblichen Maßstäben kaum objektiv zu beurteilen. Diese Erfahrung belegte Sabine Rauch, die stellvertretende Leiterin des Psychosozialen Zentrums in Düsseldorf. Sie machte deutlich: Im Umgang mit diesen Menschen müssen andere Kategorien von Glaubwürdigkeit gelten.
Traumata, so erläuterte Rauch, entstehen durch erlebte Extremsituationen. Krieg, Entführung, Geiselhaft, Vergewaltigung, Folter oder Naturkatastrophen gehörten zu den möglichen Auslösern von sogenannten posttraumatischen Belastungsstörungen. Die Symptome seien ebenso vielschichtig: Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Teilnahmslosigkeit bis hin zu Beziehungsstörungen und bewusster Gedanken- und Gefühlsvermeidung. Der traumatisierte Mensch verändere seine Persönlichkeit und sei kaum noch zu normalen Reaktionen in der Lage. „Die Zeit heilt eben nicht alle Wunden“, sagte Rauch. Alltägliche Situationen, wie der Gang in den Keller oder der Kontakt mit Uniformierten, lösten die posttraumatischen Belastungsstörungen auch Jahre nach der erlebten Extremsituation unvermittelt aus. „Und von alleine gehen diese Störungen in der Regel auch nicht zurück. Es gibt Behandlungsmöglichkeiten. Aber auch diese bleiben oft schon bei dem Versuch stecken, traumatisierte Menschen wieder sozial einzubinden und zu stabilisieren.“
Flüchtlingen, die unter derartigen Störungen leiden, stellen die Behörden der Einwanderungsländer zumeist drei Fragen: Sind sie überhaupt krank? Stimmen die Aussagen zu vergangenen Ereignissen? Sind die Befürchtungen der Flüchtlinge gerechtfertigt? Sabine Rauch: „Damit beginnen die Glaubwürdigkeitsprobleme vieler Flüchtlinge. Wenn Gerichte bei ihren Entscheidungen über Abschiebungen noch nicht einmal die posttraumatischen Belastungsstörungen anerkennen, können sie den Flüchtlingen kaum gerecht werden.“
Aber selbst wenn die Diagnose anerkannt werde, gelten viele Flüchtlinge wegen ihrer Berichte als unglaubwürdig. Ursache dafür ist nach Auffassung von Rauch die schwierige Beziehung zwischen Trauma und Gedächtnis. Erinnerungen seien lückenhaft, manchmal hätten die Traumata sogar teilweisen Gedächtnisschwund ausgelöst. So entstünden Unwahrheiten und Widersprüchlichkeiten. „Das alles trägt dazu bei, die Glaubwürdigkeit traumatisierter Flüchtlinge zu untergraben“, berichtete die Sozialpädagogin.
Sabine Rauch forderte deshalb, Glaubwürdigkeit nicht als etwas Statisches zu betrachten: „Glaubwürdigkeit ist an konkrete Umstände und Situationen gebunden.“ Das Resümee der Veranstaltung: Staatliche Einrichtungen tun gut daran, im Umgang mit diesen Menschen zu berücksichtigen, wie Traumata wirken können.

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