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28.09.2002
Religion braucht biblisch inspirierte Kritik
Pressemitteilung: EKD-Ratsvorsitzender Kock auf dem ökumenischen Jahresempfang
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Manfred Kock: Religion ist etwas durch und durch Menschliches. |
Religion sei unverzichtbar im Blick auf die Menschenwürde – ein Thema, das angesichts heutiger gentechnischer Möglichkeiten besonders kontrovers diskutiert wird. Die Botschaft von Gottes Liebe in Jesus Christus könne außerdem dazu beitragen, den Frieden zu wahren und wieder herzustellen. Das gelte besonders für den interreligiösen Dialog: „Das Bekenntnis zu dem Gott, der sich dem Menschen zuwendet, stärkt die Achtung gegenüber anderen Religionen“, sagte Kock. Die Grundlagen, auf denen das Leben in unserer Gesellschaft fußt, würden auch im Religionsunterricht vermittelt. Da diese Werte nicht „neutral“ weitergegeben werden könnten, brauche der Religionsunterricht die „konfessionelle Erdung“.
Nach Auffassung des Theologen Manfred Kock befindet sich also eine Religionskritik im Irrtum, die meint, „es wären Verhältnisse herstellbar, in denen es der Religion als Kultur des Verhaltens zum Transzendenten, zum Unverfügbaren nicht mehr bedarf.“ Der richtig verstandene kritische Umgang mit der Religion zeige vielmehr ihre Zweideutigkeiten und Gefahren auf. Das gehöre sogar zum Wesen des biblisch inspirierten protestantischen Gottesglaubens, erklärte Kock, der auch Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland ist: „Schon im Alten und Neuen Testament selbst gibt es Beispiele dafür, wie Religion unterdrücken und befreien, zerstören und heilen kann.“ Er nannte hier u.a. die von Jesus betonte Unterordnung der Religionsgesetze unter ihren humanen Zweck: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht...“
Bei allem Missbrauch: Der Eindruck, die Welt würde ohne den Faktor Religion friedlicher werden, ist nach Kocks Überzeugung „zu simpel“. Denn auch Systeme, die sich selber nur auf die Vernunft gründen, könnten unmenschlich sein: „Gerade wo der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist, da spielt er eine Rolle, die ihn überfordert.“
Der fortgeschrittene Verlust religiöser Traditionen und Bindungen bedeute für die Kirche eine Herausforderung. Angesichts zunehmender Individualisierung, Vereinsamung und Verunsicherung sei seelsorgerliche Kompetenz ganz neu gefragt. Menschen, die als Suchende Beistand bräuchten, sollten vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus als „Botschaft von Nähe und Liebe“ erfahren. Pseudoreligiöse Angebote eines „Psycho-Marktes“ seien im Programm kirchlicher Bildungseinrichtungen fehl am Platz. Landessuperintendent Gerrit Noltensmeier, der zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft begrüßen konnte, sprach von einer „begründeten und bewährten Gemeinschaft der Verantwortlichen“ in der Region Lippe.
» Der Vortrag im Wortlaut.