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20.02.2002

Wie man Spekulationen uninteressant machen könnte

Pressemitteilung: Information über die internationale Bewegung Attac

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Attac ist eine „Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise“: Die Volkswirtin Lioba Dietz informierte darüber. Rechts Pfarrer Bendix Balke von der Anti-Mammon-Gruppe in der Lippischen Landeskirche.

Längst geht das Engagement der Globalisierungsskeptiker über das ursprüngliche, namengebende Anliegen hinaus, eine Steuer auf internationale finanzielle Transaktionen zu erheben. Diese sogenannte Tobin-Steuer bleibt aber eine Kernforderung der Bewegung. „Etwas verkürzt gesagt: Es handelt sich um eine Steuer auf Spekulation“, erklärte Lioba Dietz. Das erstmals 1972 von dem US-amerikanischen Ökonomen und Nobelpreisträger James Tobin vorgeschlagene Modell funktioniert so: Ein einheitlicher geringer Steuersatz in Höhe von 0,05 bis 0,5 Prozent wird bei jedem Devisengeschäft erhoben. Für die Abwicklung des internationalen Warenhandels sei dieser minimale Aufschlag bedeutungslos, sagte die Referentin: „Kurzfristige Spekulationsgeschäfte dagegen werden so verteuert, dass sie sich nicht mehr lohnen.“ Von der Tobin-Steuer erhoffen sich ihre Befürworter also „einen Rückgang der spekulativen Geschäfte und die volkswirtschaftlich sinnvolle Verringerung der Devisenumsätze“. Damit würden die Finanzmärkte stabiler und weniger krisenanfällig. Die Zentralbanken könnten die Kontrolle über die Geldpolitik zurück gewinnen, und Geld zur Finanzierung drängender globaler Aufgaben stünde zur Verfügung.
Dietz führte die unvorstellbaren Dimensionen vor Augen, welche die globalen Finanzmärkte erreicht haben: Mehr als 1.500 Milliarden US-Dollar werden Tag für Tag an Devisen umgesetzt. „Über 80 Prozent dieser Finanzflüsse kehren innerhalb von nur sieben Tagen an ihren Ursprungsort zurück. Der Löwenanteil dieser Umsätze dient also nur kurzfristigen Gewinnen, Geschäften mit spekulativem Charakter. Nur noch zwei Prozent der Devisenumsätze dienen unmittelbar der Finanzierung von internationalem Handel und Investitionen.“ Die nach Tobin benannte Devisenumsatzsteuer sei zwar kein Allheilmittel gegen solche Schwankungen und ihre verheerenden Folgen, wohl aber „eine kleine Stellschraube, damit die Finanzströme ein bisschen langsamer werden und etwas mehr den realen wirtschaftlichen Gegebenheiten entsprechen“, so die Volkswirtin. Immerhin 50 Bundestagsabgeordnete unterstützen die Tobin-Steuer bereits.
Attac setzt sich auch für den Erhalt der sozialen Sicherungssysteme ein. „Durch die marktförmige Umgestaltung des Gesundheitswesens, eine Spaltung in Wahl- und Pflichtleistung und umfassende Privatisierungen kann Krankheit für immer breitere Bevölkerungsschichten wieder zum Armutsrisiko werden.“ Attac fordert deshalb die Ausdehnung der Krankenversicherungspflicht auf sämtliche Erwerbstätige. Und: „Nimmt man zusätzlich die Pharmakonzerne an die Leine, so ist ein solidarisches und leistungsfähiges Gesundheitswesen für alle auch finanzierbar.“ Attac versteht sich als „Bildungsbewegung mit Aktionscharakter und Expertise“. Dass die Aktionen ausschließlich strikt gewaltfrei sind, brauchte Lioba Dietz nicht erst zu betonen. Charakteristisch ist, dass bewusst auf einen geschlossenen Gesellschaftsentwurf verzichtet wird. Nur so ist das breite Bündnis möglich: In Deutschland wird die Bewegung von über hundert politischen und kirchlichen Organisationen und vielen Einzelpersonen unterstützt. Zu den Trägern gehören Pax Christi und terre des hommes, aber auch renommierte Wissenschaftler. Über 70 Regionalgruppen sind aktiv. Nach der Veranstaltung in Detmold fanden sich ein halbes Dutzend Leute zusammen, um nächste Schritte eines möglichen regionalen Engagements zu verabreden.

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