Gewaltig aus dem Gleichgewicht
Lippische Landeskirche zeigte Dokumentarfilm „We feed the World“
In „We feed the World“ geht der österreichische Regisseur Erwin Wagenhofer unter anderem den Fragen nach, woher die Billigtomaten in unseren Supermärkten kommen und warum für den Anbau von Sojabohnen für die europäische Viehwirtschaft weite Flächen des brasilianischen Regenwalds gerodet werden. Hinter der Entwicklung, dass Lebensmittel, die Tausende Kilometer weit gereist sind, oft billiger sind als regionale Produkte, stecken billige Arbeitskräfte und staatliche Subventionen. Das alles geht zu Lasten von Mensch und Natur – beginnend mit oft ausbeuterischen Verhältnissen in den Produktionsstätten und im Frachtgewerbe, über massive Belastungen für die Anrainer von Transitrouten bis hin zu gesundheitlichen Risiken für die Konsumenten. Denn die Lebensmittel überstehen die langen Transportwege oft nur mit Hilfe von Chemie. Zumindest, so die Botschaft des Films, leide die Geschmacksqualität der massenhaft erzeugten Früchte, die speziell für hohen Ertrag sowie lange Transportwege gezüchtet werden.
„Die Kirche setzt sich für die Bewahrung der Schöpfung ein und wir als Lippequalität-Landwirte auch,“ so Landwirt Friedrich Niedermeier aus Blomberg-Brüntrup in der Diskussion im Anschluss an die Filmvorführung. Doch wie kann das hehre Ziel der Schöpfungsbewahrung beim täglichen Lebensmitteleinkauf verwirklicht werden? Carolin Callenius von der Aktion Brot für die Welt beantwortete mit praktischen Tipps die anfängliche Ratlosigkeit mancher Filmzuschauer. Beim Einkauf sollte man dem in der heimischen Region erzeugten Obst, Gemüse, Brot und Fleisch den Vorzug geben. Relativ „sichere“ Einkaufsquellen seien hier landwirtschaftliche Direktvermarkter mit ihren Hofläden und Wochenmarktständen. Bei importierten Lebensmitteln, zum Beispiel Kaffee, könne man fair gehandelten Produkten oftmals den Vorrang vor fragwürdig hergestellter Ware geben.
Frau Callenius räumte ein, dass kein Verbraucher bezüglich aller Lebensmittel wissen könne, wie diese produziert und transportiert werden. Sich dieses Wissen anzueignen, würde den Normalverbraucher total überfordern. Wo der Konsument jedoch um die Produktionsbedingungen Bescheid wisse, sollte er sich um ethisches Einkaufen bemühen. Kirchengemeinden könnten Hilfestellung leisten, indem sie sich bei Gemeindefesten auf regional erzeugte bzw. fair gehandelte Lebensmittel beschränken und die Festbesucher darüber informieren.
Hans-Jörg Hartmann, Pfarrer im Schuldienst in Lage und Bad Salzuflen, stellte den Teilnehmern seiner Arbeitsgruppe Elemente einer von ihm entwickelten Unterrichtsreihe vor. Diese religionspädagogische Reihe basiert auf Filmausschnitten von „We feed the World“ und soll Schüler und Schülerinnen für die Zusammenhänge von Ernährung und Globalisierung sensibilisieren.
Tobias Treseler, Landespfarrer für Ökumene und Mission, und Heinrich Mühlenmeier, Umweltbeauftragter der Lippischen Landeskirche, bewerteten die Filmvorführung mit anschließender Diskussion als einen „Beitrag zur Bewusstseins- und Meinungsbildung.“ Da die Zusammenhänge von Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie vor dem Hintergrund globalisierter Warenströme außerordentlich komplex seien, regte Heinrich Mühlenmeier zur Themenvertiefung einen Studientag an. Mühlenmeier: „Wir alle, auch die Lippische Landeskirche, stehen erst am Anfang einer umfassenden Diskussion.“
16.03.2007