Der Rhythmus der Seele
Plädoyer für den Frieden: „Blaues Einhorn“ zelebrierte Theodorakis-Lieder
Alle Lieder des Abends hatte der griechische Politiker, Schriftsteller und Musiker Mikis Theodorakis komponiert. Dessen Liederzyklus „Ta Lyrika“ (Die lyrischen Lieder) bildete im Einhorn-Programm den Hauptteil. Dazu kamen der Zyklus „Mauthausen“ und Lieder aus dem Oratorium „Axion Esti“ (Gepriesen sei), entstanden in den 1960er Jahren und weit bekannter als die 1976 und 1982 erstmals veröffentlichten lyrischen Lieder.
Den Musikern des Blauen Einhorns gelang es zusammen mit Sängerin Karolina Petrova, mit diesem Konzert von Krieg und Trauer, von Hoffnung und Sehnsucht nach Frieden und Freiheit die gut 250 Konzertbesucher von der ersten bis zur letzten Note zu fesseln. In atemberaubender Eindringlichkeit und Intensität erzählten sie mit zarten, kammermusikalischen Klängen Geschichten vom Festhalten und Loslassen, den Grundelementen menschlicher Existenz. Die Lieder schwankten zwischen Bitterkeit und Hoffnung, zwischen Mutlosigkeit und Zuversicht. Die von einer beeindruckenden künstlerischen Ehrlichkeit getragene Musik verdeutlichte zu jeder Zeit, dass sie dem Rhythmus der Seele abgespürt war - der Trauer um unwiederbringlich Verlorenes und dem Glauben daran, den Schmerz dennoch überwinden zu können.
Die Texte waren zum Teil bedrückend und erschreckend wie die berühmte Zeile aus dem Mauthausen-Zyklus, gedichtet von Iacovos Kambanellis, der während des Zweiten Weltkriegs Gefangener in Mauthausen war: „Ihr Mädchen aus Auschwitz, ihr Mädchen aus Mauthausen, habt ihr meine Liebste nicht gesehen?“ Aber die vom Blauen Einhorn vorgetragene Theodorakis-Musik ließ die Konzertbesucher mit diesen beängstigenden Gefühlen nicht allein, sondern verstand es, mit dann wieder unbeschwerter werdenden Melodien zu trösten und zu stärken.
Den Musikern um Einhorn-Gründer Paul Hoorn (Gesang, Akkordeon, Trompete) gelang in Heiden mit ihrem Konzert sowohl eine Hommage an Mikis Theodorakis als auch an den Glauben an ein versöhntes Leben. Die Lieder lebten aus den Theodorakis-Kompositionen, ohne in ihnen unterzugehen. Mit ihrer Interpretation der „Lieder von Krieg und Frieden“ vollbrachten die Musiker das Kunststück, für die Theodorakis-Lieder eine ganz neue, fast liturgische Art der Darstellung gefunden zu haben. Unterstrichen wurde der Gesamteindruck durch Blumenarrangements von Margita Poole (Zauber des Augenblicks).
Das Konzert war eingeleitet worden mit einer Lesung des am Detmolder Landestheater tätigen Schauspielers Markus Hottgenroth, der Texte der US-amerikanischen Schriftstellerin Gertrude Stein (1874 - 1946) und der kanadischen Gegenwartsautorin Deborah Ellis vortrug. Wie die nachfolgenden Lieder handelten die Textpassagen von Kriegs- und Todeserfahrungen - und dem Willen der Menschen, erlittenes Leid zu überwinden, sich dem Leben wieder zuzuwenden und eine Antwort zu finden auf die Frage „Wo find ich meine Seele?“
15.11.2011