Dieter Bökemeier (2. von links) und Monika Korbach (2. von rechts) bedankten sich für die Diskussion bei Dr. Kerstin Gernig, Annette Link, Stefanie Bebermeier und Martin Möllmann (von links) mit Blumen-Arrangements aus dem Atelier von Margita Poole (rechts), Mitorganisatorin der Ausstellung „Die Farben des Todes“.

Die stützende Kraft der Rituale

Diskussion: „Wandel in der Trauer- und Bestattungskultur“

Kreis Lippe/Detmold. „Wer bei Bestattungen auf Rituale verzichtet, weiß oft nicht, auf welche Trauerhilfen er verzichtet.“ Nach Überzeugung der Trauerbegleiterin Stefanie Bebermeier vom Ambulanten Hospizdienst Lippe gehören Aussegnungsfeier, Traueransprache und angemessene Musik zu den Abschiedsriten, die den Hinterbliebenen helfen, ihre Verlusterfahrung seelisch zu verarbeiten.

Für ihren Standpunkt, bei Bestattungen auf die stützende Kraft einer tradierten Trauerkultur zu vertrauen, erhielt Stefanie Bebermeier viel Unterstützung während der Podiumsdiskussion „Ex und hopp? - Über den Wandel in der Trauer- und Bestattungskultur“ am Dienstag, 6. Oktober, im Gemeindehaus am Markt in Detmold.
Unter der Moderation von Monika Korbach (Bildungsreferat der Lippischen Landeskirche) und Pfarrer Dieter Bökemeier (ev.-ref. Kirchengemeinde Detmold-Ost) sprachen Stefanie Bebermeier, Annette Link vom Hamburger Bestattungsinstitut „in medio“, der freie Trauerredner Martin Möllmann (Paderborn) und Dr. Kerstin Gernig, Geschäftsführerin des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, über Veränderungen der Bestattungskultur. Diese seien ein Spiegel des gesellschaftlichen Wandels, so Kerstin Gernig: „Wie mit Verstorbenen umgegangen wird, ist Ausdruck unseres Menschenbildes und unserer Wertvorstellungen.“ Ein traditionelles Begräbnis, eine Abschied nehmende Trauergemeinde auf dem Friedhof und ein liebevoll gestalteter Grabstein seien in vielen Großstädten bald eher die Ausnahme als die Regel. In der jüngsten Vergangenheit sei „unendlich viel Wissen“ verloren gegangen, so Gernig, zum Beispiel über trauerbegleitende Musik und die tröstende Kraft von Psalmen bei Grablegungen. Das Wort „Urnenreihengrab“ verrate viel über eine „anonymer werdende Gesellschaft“, die ihre Traditionen vergesse.
Eine andere Form des Traditionsabbruchs neben der Zunahme namenloser Urnenbestattungen sei die sogenannte „Discountbestattung“, sagte Annette Link, ordinierte Pfarrerin und seit drei Jahren selbstständige Inhaberin eines Bestattungsunternehmens: „Aus einer „abwehrenden Haltung gegenüber christlichen Ritualen und aus Angst vor den Kosten einer Beerdigung hat die üble Art der Discountbestattung, nämlich Verstorbene billig im Ausland zu verbrennen, zahlenmäßig zugenommen.“ Neben dieser „Ex und hopp“-Einstellung gebe es andererseits immer noch Menschen, die im Bestattungsfall eine würdevolle Form des Abschieds suchten. Diesen Trauernden biete sie an, bei Bestattungsdienstleistungen (z.B. Waschen, Aufbahren) mitzuwirken, um somit die Erfahrung des Todes im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar zu machen.
Martin Möllmann, früher tätig als Religionspädagoge in katholischen Kirchengemeinden, bietet in seinem heutigen Beruf trauernden Menschen an, zusammen mit ihnen individuelle Abschiedsfeiern zu entwerfen, in der die persönliche Beziehung zu den Verstorbenen einen wichtigen Platz einnimmt: „Für mich zählt, was den Angehörigen gut tut.“ Seine Dienstleistungen würden z.B. von kirchendistanzierten Menschen nachgefragt, die eine Bestattungszeremonie ohne religiösen Bezug wünschten. Die Gestaltung der Feiern erfolge in Absprache mit den Angehörigen und solle helfen, neuen Lebensmut zu wecken.
Annette Link und Dr. Kerstin Gernig unterstrichen, dass seriöse Bestattungsunternehmen eine fachkundige Beratung und einfühlsame Begleitung der Angehörigen im Trauerfall verbürgten. Angehörige müssten die Kosten einer Bestattung natürlich bedenken, sollten sie aber nicht ausschließlich in den Mittelpunkt der Überlegungen stellen. Dr. Gernig: „Bestattungen sind einmalig; es gibt keine Generalprobe.“
Die Diskussion war eingebettet in die Ausstellung „Die Farben des Todes - Facetten der Vergänglichkeit in verschiedenen Kulturen“ und wurde musikalisch begleitet vom Gitarrenduo „Bezaubernde Saiten“ (Graciela Medina, Hannelore Wieland).

08.10.2009