„Heldin und Vorbild“
Weibliche Vorbilder: Frauenkreise beschäftigten sich mit Dorothee Sölle
Bettina Hertel warb dafür, die theologischen Schriften und Gedichte Dorothee Sölles neu zu entdecken. Hertel arbeitet bei der Evangelischen Landeskirche in Württemberg als Geschäftsführerin des landeskirchlichen Frauenwerks. Unter anderem die persönliche Bekanntschaft mit Dorothee Sölle veranlasste sie zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Werk der Theologin. Nach Sölles Tod gab sie Bücher mit Arbeiten der streitbaren Protestantin heraus, vornehmlich Gedichtsammlungen.
Für Dorothee Sölle hätten Glaube und politisches Handeln immer zusammengehört, berichtete Hertel. Auf mehreren Reisen, insbesondere nach Mittel- und Südamerika, habe sich Sölle für die Menschen in der „Dritten Welt“ engagiert. Die Überzeugungen der „Befreiungstheologie“ seien durch sie in Deutschland bekannt geworden. Früh habe sie sich für die Aufarbeitung des Nazi-Unrechts eingesetzt und später gegen die Atomrüstung in der damaligen Bundesrepublik Deutschland (Westdeutschland) gestritten.
Mit ihrem kompromisslosen Eintreten für Frieden, Gerechtigkeit und eine bessere Weltordnung sei Dorothee Sölle für viele eine unbequeme Querdenkerin gewesen. Bettina Hertel: „Dorothee Sölle war auch deshalb eine Heldin, weil der Mut sie nie verlassen hat, gegen Verhältnisse zu kämpfen, die anderen als unabänderlich erschienen.“
„Weibliche Vorbilder und andere Heldinnen“ – das Thema war vom Leitungskreis der evangelischen Frauenarbeit als Kontrast zum Varusjahr 2009 gewählt worden. Neben dem Vortrag über Dorothee Sölle beschäftigten sich die rund 100 Teilnehmerinnen des Frühjahrstreffens mit ihren persönlichen Vorbildern. In Form eines Labyrinths hatten sie Namenstafeln ausgelegt. Karla Raveh (Lemgoer Ehrenbürgerin und Holocaust-Überlebende), Marion Gräfin Dönhoff (Publizistin und bis zu ihrem Tod 2002 Mitherausgeberin der ZEIT), Rigoberta Menchu (Friedensnobelpreisträgerin), aber auch die eigene Mutter oder Großmutter wurden hier gewürdigt.
Pfarrerin Maren Krüger (Lemgo) bekannte in ihrer Andacht, dass das Wort „Heldin“ in ihrem persönlichen Sprachgebrauch kaum vorkomme. In der Alltagssprache seien männliche „Helden“ gebräuchlicher, zum Beispiel der jüngst gewählte US-Präsident Obama oder herausragende Fußballspieler. Für sie selbst seien typische „Heldinnen“ die beiden Schwestern Maria und Martha, von denen im Lukas-Evangelium erzählt werde. Während die nachdenkliche Maria dem berühmten Gast Jesus zuhöre, kümmere sich die umtriebig-fleißige Martha ganz praktisch um die Bewirtung. Beide Frauen seien „Heldinnen des Alltags“, weil sie sich weit über das für sie normale Maß hinaus um den Besuch kümmerten. Beide Verhaltensweisen - Aktion und Kontemplation - in einer Person seien ihrer Meinung nach charakteristisch für weibliches Heldentum im Alltag, so Pfarrerin Krüger: „Denken und Tun gehören zusammen: Einsatz und Engagement für Dinge, die wichtig sind, und dennoch Zeit finden, um zur Ruhe und sich selbst zu finden.“
14.05.2009