Neubewertung des Religionsunterrichts

Pfarrer Eckhard Marggraf auf dem landeskirchlichen Schulleiterbegegnungstag

Kreis Lippe/Lage-Stapelage. „Die im schulischen Religionsunterricht vermittelte religiöse Bildung ist notwendiger Bestandteil der Schule des 21. Jahrhunderts in Europa.“ In den meisten europäischen Ländern spielt der Religionsunterricht eine zunehmend wichtigere Rolle – so die Einschätzung von Pfarrer Eckhard Marggraf (Karlsruhe), dem langjährigen Leiter des Religionspädagogischen Instituts der Evangelischen Kirche in Baden.

Marggraf sprach über die Notwendigkeit des Religionsunterrichts auf dem Schulleiterbegegnungstag der Lippischen Landeskirche am Montag, 1. Dezember, im Tagungshaus Stapelage. Landespfarrer Tobias Treseler hatte zuvor betont, dass die Lippische Landeskirche den Religionsunterricht auch künftig nach Kräften unterstützen werde. Er leiste einen unverzichtbaren Beitrag an Schulen, indem er die Auseinandersetzung mit Sinn- und Orientierungsfragen fördere.

Vor Schulleitern, leitenden Persönlichkeiten der Lippischen Landeskirche sowie im Schuldienst tätigen Pfarrerinnen und Pfarrern machte Eckhard Marggraf auf den bemerkenswerten Trend bei Europarat und Europäischer Union aufmerksam, den Religionen eine bedeutende Rolle im interkulturellen Dialog  zukommen zu lassen. Bis zu den Anschlägen vom 11. September 2001 habe in den politischen Spitzenorganisationen Europas die von Frankreich geprägte Meinung vorgeherrscht, dass Staat und Religion strikt zu trennen seien. In der Zeit nach den Attentaten habe diese Auffassung an Einfluss verloren. Die Rolle des Religionsunterrichts sei neu bewertet worden. Der Referent: „Vielleicht hat sich in der Politik die Einsicht durchgesetzt: Wer von Religion nichts weiß, glaubt am Ende alles.“

Marggraf, Generalsekretär der „International Association for Christian Education“ (Dachverband von 14 protestantischen Lehrer- und Schulverbänden in Europa), sprach sich für eine Anbindung des konfessionellen Unterrichts an die „gelebte und von den Schülern erfahrene Religion“ aus. Erst die Verankerung des Religionsunterrichts in den jeweiligen Konfessionen ermögliche es dem Unterricht, zur Persönlichkeitsbildung der Schüler und Schülerinnen beizutragen.

Religiöse Bildung sei ein „wesentlicher Bestandteil allgemeiner Bildung“. Ein Ethik-Unterricht könne diesem Bildungsanspruch nicht gerecht werden.

Die Aufgabe der Religionspädagogen, persönlichkeitsbildend wie auch kompetenzvermittelnd zu unterrichten, sei höchst anspruchsvoll. In der Wahrnehmung der Schüler und Schülerinnen hänge ein „guter Religionsunterricht“ wesentlich von der Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit der Lehrpersonen ab. Wolle man die Güte des Religionsunterrichts jedoch allein an der Persönlichkeit der Lehrenden festmachen, wären die Pädagogen schnell überfordert. Wesentlich für einen guten Religionsunterricht, so Marggraf, sei der wegweisende Grundsatz der evangelischen Theologin Gabriele Obst: Demnach zeichneten sich alle Lernprozesse im evangelischen Religionsunterricht durch eine prinzipielle Offenheit für unerwartete Fragen, existenziell bedeutsame Einsichten und orientierende Erfahrungen aus. Es sei das Besondere des evangelischen Religionsunterrichts, „einen Raum der Freiheit für die individuelle Begegnung mit christlichem Glauben und Leben offen zu halten“.

05.12.2008