Marktplatzgespräch mit: Dieter Bökemeier, Sabine Hartmann (beide Lippische Landeskirche), Aylin Sayin (Theologiestudentin), Faraja Mwakapeje (Lippische Landeskirche), Sarah Vecera (Vereinte Evangelische Mission) und Mohsen Amininia (Internationaler Bibelkreis der Lippischen Landeskirche).

Kein sicherer Raum

Intensiver Austausch beim Marktplatzgespräch zu „Kirche und Rassismus“

Detmold. „Kein sicherer Raum – weißer Jesus und Rassismus in der Kirche“: das war Thema beim Marktplatzgespräch im voll besetzten Gemeindehaus der Erlöserkirche am Markt in Detmold. Theologin und Religionspädagogin Sarah Vecera von der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) las aus ihrem aktuellen Buch „Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus“, hinterher kam sie mit kirchlich Aktiven aus Lippe und dem Publikum ins Gespräch.

Sarah Vecera ist Initiatorin der „Alle-Kinder-Bibel“, einer diversitätssensiblen Kinderbibel. Da Kinderbibeln versuchten, Gott greifbar zu machen, werde daran sehr viel deutlich. Als sie ihre dreijährige Tochter fragte, wie sie sich Gott vorstelle, merkte sie: In ihrem Kopf war Gott bereits ein alter weißer Mann. Das sei ein strukturelles Problem, betonte sie: „Wenn wir durch unsere Kinderbibeln bereits in so kleinen Köpfen so ein Gottesbild verfestigen, wird sich nie etwas ändern.“ Vorher seien die Menschen darin meist weiß, schlank, ohne Behinderungen und in heteronormativen Kleinfamilien lebend dargestellt worden. Das sei unhistorisch und ausgrenzend im Hinblick auf viele, die dieser Norm nicht entsprechen. „Es ist daher Aufgabe der frühkindlichen Pädagogik, hier Verantwortung zu übernehmen.“

Die Motivation zu diesem Buch sei ihr im Zuge des Aufschwungs der „Black Lives Matter“-Bewegung nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd gekommen: „Vieles wurde zu dem Thema geschrieben, aber es fehlte noch ein Buch, das sich mit Rassismus in der Kirche beschäftigt.“ Gerade die Kirche müsse aber ein Ort sein, an dem sich alle Menschen willkommen und sicher fühlen. Dass sich weltweit das Bild vom „weißen“ Jesus durchgesetzt habe, zeige die „weiße Dominanz in der Welt“.

Im Anschluss wurde das Podium um weitere Teilnehmende ergänzt, die in der Lippischen Landeskirche aktiv sind und selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht haben. Aylin Sayin ist in Bentrup-Loßbruch aufgewachsen und studiert nun Theologie auf Pfarramt in Göttingen, ist aber weiter in Lippe kirchlich engagiert, etwa als Mitglied der Landessynode. Das Gottesbild vom „alten weißen Mann“ habe auch ihre Kindheit geprägt. Zudem habe sie auch vermeintlich „positiven“ Rassismus in der Kirche erlebt, indem etwa gesagt wurde, dass Gott alle Menschen liebhabe und sie dann konkret angeschaut wurde, ihr beim Rollenspiel wie selbstverständlich die Figur mit Migrationshintergrund zugewiesen wurde oder sie als „seltenes Beispiel für gelungene Integration“ exotisiert wurde. „Das ist sehr verletzend, und nicht immer hat man die Kraft, etwas zu entgegnen.“

Mohsen Amininia lebte im Iran, ehe er 2018 nach Deutschland kam und nun in Lage wohnt. Der Fachinformatiker engagiert sich im Internationalen Bibelkreis der Landeskirche. Er berichtete, dass er bei der Ausbildungsplatzsuche als Iraner abgewiesen worden sei. Als er eine Anstellung fand, habe er erlebt, dass seine deutschen Kollegen für dieselben kleinen Fehler keinen Ärger bekamen, er aber schon. Faraja Mwakapeje stammt aus Tansania, hat Diakoniemanagement studiert und arbeitet im Referat Diakonie und Ökumene der Lippischen Landeskirche. Sie ist Projektleiterin von „Together in Christ“ und lebt in Detmold. Die Landeskirche sei sehr engagiert, neue Perspektiven zu gewinnen, sagte sie. „Aber Rassismus ist ein bundesweites Problem, es ist ein schwieriger Weg, den die Kirche auch langfristig weitergehen muss.“

Auch beim intensiven Austausch in der Plenumsdiskussion sowie der Abschlussrunde wurde deutlich, dass beim Umgang mit Rassismus in der Kirche noch viel zu tun ist. „Rassismus kann nur aus der Welt geschafft werden, wenn wir darüber reden“, betonte Sarah Vecera abschließend. „Es geht nicht um Schuldzuweisung, sondern die schmerzhafte Anerkennung, dass wir alle von Rassismus geprägt sind.“ Sabine Hartmann, die den Abend mit Dieter Bökemeier (beide Lippische Landeskirche) moderierte, erklärte: „Der Abend endet nicht mit einem Punkt, sondern eher mit einem Doppelpunkt und einigen Fragezeichen. Wir werden am Thema dranbleiben.“

Musikalische Unterstützung gab es vom Saxophonquartett AbraxSax, zudem waren der Detmolder Eine-Welt-Laden Alavanyo und die Buchhandlung Kafka & Co. beteiligt.

13.09.2023