Mehr als „pauken“ und „labern“
Religionsunterricht-Tagung thematisierte „protestantische Spiritualität“
Die vom Landessuperintendenten zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung des Religionsunterrichts bildete den Auftakt des landeskirchlichen Religionslehrertages, an dem Mittwoch, 21. November, im Kirchlichen Zentrum der Stiftung Eben-Ezer Religionspädagogen aller Schulformen und -stufen teilnahmen. Der Schulreferent der Lippischen Landeskirche, Landespfarrer Tobias Treseler, hatte die Tagung unter das Motto gestellt „Spiritualität - eine Ressource für Unterricht und Unterrichtende“.
Dr. Bernd Beuscher, Dozent am Institut für Evangelische Theologie der Universität Paderborn, und Kirchenrat Gerhard Gohlke, Schulbeauftragter des ev.-luth. Kirchenkreises Regensburg, vertieften nach ihren Impulsreferaten zusammen mit den Religionspädagogen die Annäherung an den, so Treseler, „sehr facettenreichen Begriff Spiritualität“. Dabei stand im Mittelpunkt, ob und wie viel Spiritualität im Raum der Schule eingeübt und auch gelebt werden könne.
Bernd Beuscher sprach sich für einen Religionsunterricht aus, der seinen Platz jenseits der Extreme „pauken“ und „labern“ einnehmen sollte. Ein für Spiritualität offener Religionsunterricht erschöpfe sich nicht darin, in Form eines Sachkundeunterrichtes den Schülern und Schülerinnen religiösen Wissensstoff anzubieten. Diese Form der Wissensvermittlung sei der von „religiösen Insidern unternommene Versuch einer bildungsbürgerorientierten Reproduktion eines musealen Traditionsgutes.“ Die gegensätzliche Position zu diesem „Pauken“ sei das „Labern“, das sich u.a. durch eine „populistische Scheinheiligkeit“ auszeichne. Ein Religionsunterricht, der ernsthaft auf Fragen der Schüler eingehe, dürfe „weder gefühlsduselig noch romantisierend“ sein und nicht zum Ziel haben „klerikale Empörung“ zu erzeugen.
„Protestantische Spiritualität“, so Beuscher weiter, sei eine sensible und zugleich aufmerksame Lebenshaltung. Sie pflege ein „differenziertes Religionsverständnis“ und versuche dem Alltag abzuspüren, wo die „nur scheinbar profanen und trivialen Dinge existenzielle Fragen zur Erscheinung kommen lassen.“ Zum Beispiel verbinde die Produktwerbung den Kauf von Waren in der Regel mit einem Glücksversprechen. Wenn eine solche Werbung als Impuls im Religionsunterricht eingesetzt werde, sollte am Ende nicht die Kritik an der beworbenen Ware stehen, sondern die Offenheit und Sensibilisierung für das Glücksversprechen, wie es im Evangelium zu Tage trete.
Kirchenrat Gerhard Gohlke beschrieb Spiritualität als „Sehnsucht nach guten Worten und nach Bewegung.“ Spiritualität sei keine Antwort, sondern sie öffne die Augen für Fragen. Insofern sei sie eine „Bewegung auf dem Weg zur Wahrheit.“ Obwohl oder vielleicht gerade weil Spiritualität zu einem Trendbegriff geworden sei, bemerke er im Alltag einen voranschreitenden Spiritualitätsverlust. Spirituelle Lernformen - zum Beispiel Bewegungsübungen, Musik hören, Bilder betrachten - könnten in den Religionsunterricht einfließen, um die Wahrnehmung des Wesentlichen zu fördern. Ein dadurch zurückgewonnenes Mehr an Spiritualität sei wünschenswert, gerade in einer rastlos sich verändernden Welt, die durch immer neue Möglichkeiten die Menschen kaum noch zur Ruhe kommen lasse.
23.11.2007