Neuer Erinnerungsort in Detmold

Gedenkstele für die Opfer der Hexenverfolgung in der Anna-Maria-Tintelnot-Twete

Einweihung des Erinnerungsortes zur Hexenverfolgung in der Tintelnot-Twete. Mit Andreas Mattke, Martin Hankemeier, Dr. Rüdiger Henke, Christ-Dore Richter, Dr. Bärbel Sunderbrink und Dr. Nikolas Rügge (von links).

Detmold. Die neue Stele zum Gedenken an die Opfer der Hexenverfolgung in Detmold in der Anna-Maria-Tintelnot-Twete ist eingeweiht worden. Der Arbeitskreis Hexenverfolgung im Ortsverein Detmold des Lippischen Heimatbundes, die Stadt Detmold und die Lippische Landeskirche haben den Opfern der Hexenverfolgung ein Denkmal gesetzt.

Zwischen 1583-1676 fielen in Detmold und Umgebung rund 50 Menschen dem Hexenwahn zum Opfer. Zusätzlich wurden 50 sogenannte Hexenkinder jahrelang inhaftiert und gefoltert. Anna Maria Tintelnot wurde nach dreimaliger Folter ohne Geständnis 1654 entlassen und konnte fliehen. Das vom Ehemann angerufene Reichskammergericht erklärte die Prozessführung des Detmolder Peinlichen Halsgerichts für rechtswidrig und ordnete 1665 die Rückgabe des beschlagnahmten Familienvermögens an, womit die Detmolder Hexenprozesse bald ihr Ende fanden. In der Nähe ihres vermuteten Wohnortes erinnert ein Straßenschild, das zum Denkmal führt, an ihr Schicksal.

Pfarrer i.R. Martin Hankemeier vom Arbeitskreis Hexenverfolgung in Detmold begrüßte rund 30 Gäste zur Einweihungfeier, die Trompeter Valentinian Zelle mit Kirchenliedern von Friedrich Spee von Langenfeld umrahmte. Spee machte sich im 17. Jahrhundert als Kritiker der Hexenprozesse einen Namen. Hankemeier dankte im Namen des Arbeitskreises Hexenverfolgung der Lippischen Landeskirche und der Stadt Detmold, die es ermöglicht haben, den Erinnerungsort zu errichten, und das Projekt finanziell unterstützt haben.

Die Betonstele in der Bußfarbe violett erinnert mit ihren Gitterfenstern an die Kerkerhaft und nennt auf einer Gedenktafel einige Namen der Opfer. Der aufgesetzte anthrazitfarbige Glaswürfel veranschaulicht durch seine Drehung den Bruch der Lebenslinie der Opfer und mahnt mit Artikel 1 des Grundgesetzes die Menschenrechte an: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Von oben spiegelt das Mahnmal den Betrachter, der sich so reflektiert im Kontext der Geschichte sieht. Die seitliche Schrifttafel stellt den aktuellen Bezug dar: „Missachtung und Diskriminierung, Hass und Hetze beginnen mit Gedanken und Worten und führen zu Verfolgung und Vernichtung.“  Martin Hankemeier: „Missgunst, Hass, Fremdenfeindlichkeit und Hetze sind aktuelle Bezüge zur Hexenverfolgung. Es geht uns um die Menschwürde vieler unschuldiger Opfer und nicht um Folklore, Esoterik und Aberglauben, die das Hexenthema kommerziell ausbeuten.“

Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink lobte das Engagement des Arbeitskreises. „Sie stellen den ersten und nach den Erfahrungen der NS-Zeit wichtigsten Paragraphen des Grundgesetzes in den Mittelpunkt.“ Die Auswertung der Quellen, die im Landesarchiv NRW in Detmold verwahrt werden, sei schwierig. Sie dankte Dr. Nikolas Rügge für seine intensive Archivarbeit, die den Grundstein für den Gedenkort gelegt habe.

Die erste stellvertretende Bürgermeisterin Christ-Dore Richter (SPD) überbrachte Grüße und Dank von Bürgermeister Frank Hilker. Es sei besonders wichtig, dass Bürger dieser Stadt es selbst in die Hand genommen hätten, diesen Erinnerungsort zu errichten. Sie hoffe, dass dieser Ort Menschen zum Nachdenken bringe über Vorurteile und Diskriminierungen. 

Landespfarrer Andreas Mattke dankte im Namen der Lippischen Landeskirche allen, die an der Realisierung des Erinnerungsortes beteiligt waren. „Dieser Ort erinnert an Menschen, nennt zum Teil ihre Namen und gibt ihnen ihre verlorene Würde zurück.“  Mattke wies darauf hin, dass die Zeit der Hexenverfolgung weltweit noch nicht vorbei sei. „In Tansania sind von 1960 bis 2000 ungefähr 40. 000 Menschen als Hexen verfolgt und ermordet worden.“

Ein Ort der Erinnerung müsse immer auch Mahnmal für die Menschenwürde sein. Den Satz über die Menschenwürde könne man nur lesen, wenn man sich die Zeit nehme, um die Stele herumzugehen. Man begegne erst dann Menschen mit Würde, wenn man sie aus unterschiedlichen Perspektiven wahrnehme. Die Stele fragt: „Sitze ich den Meinungen anderer auf, oder bilde ich mir meine eigene Meinung.“ Ohne selbständiges Denken laufe man Gefahr, Gefangener von Populismus, Rassismus oder Antisemitismus zu werden.

 

21.06.2021

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