Predigtgespräch über Fidelio mit (von links) Kirchenrat Andreas-Christian Tübler, Sopranistin Brigitte Bauma und Tenor Johannes Harten.

„Hoffnungskeim für Unterdrückte“

Gottesdienst vertiefte Fidelio-Inszenierung des Landestheaters Detmold

Detmold. „Bühne und Bibel leben von Verheißungen und beide müssen immer wieder in die Gegenwart übersetzt werden.“ Kirchenrat Andreas-Christian Tübler erläutert einen Kerngedanken des Projekts „Vis-à-vis“, das Lippische Landeskirche, evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Detmold-Ost und Landestheater Detmold initiiert haben - im Gottesdienst werden in Predigt und Gespräch Aufführungen des Landestheaters aufgegriffen. Den Auftakt machten die Detmolder Fidelio-Premiere am 26. September und der Gottesdienst am Sonntag, 28. September, in der Erlöserkirche am Markt, in Sichtweite - „vis-à-vis“ - des Theaters.

Kirchenrat Tübler hatte seiner Predigt Psalm 126 vorangestellt, in dem es zu Beginn heißt: „Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden.“ Dies vom Psalmisten in Worte gefasste Leitmotiv der Befreiung aus Gefangenschaft, um zu Selbstbestimmung und Gerechtigkeit zu gelangen, sei heute mindestens ebenso aktuell wie zu Beethovens Zeit, als dieser den Fidelio komponierte, sagte Kirchenrat Tübler. Wer als Zuschauer die Detmolder Fidelio-Inszenierung gesehen habe, frage sich, wer den in einem dunklen Gefängnis sitzenden Florestan aus Erniedrigung und Demütigung befreit habe: dessen als Fidelio verkleidete Frau Leonore oder ein anderer, dessen Existenz auf der Bühne bildlich durch eine Trompete und musikalisch durch einen Fanfarenklang symbolisiert worden sei?

Im Gespräch mit Kirchenrat Tübler bekräftigten die beiden Hauptsolisten der Detmolder Inszenierung, die Sopranistin Brigitte Bauma (Leonore) und der Tenor Johannes Harten (Florestan), dass der in Beethovens Oper zum Vorschein kommende Freiheitsbegriff keinesfalls in Widerspruch zum christlichen Erlösungsverständnis stehe. Brigitte Bauma deutete ihre Arie „Komm, Hoffnung, lass den letzten Stern der Müden nicht erbleichen“ als Gleichzeitigkeit von erinnertem Glück und zukünftiger Errettung. Johannes Harten bekräftigte, dass Florestans Rezitativ und Arie zu Beginn des zweiten Akts „Gott! Welch Dunkel hier! … In des Lebens Frühlingstagen“ nicht als Anklage, sondern als Suche und Bitte um Antwort angelegt seien. Florestan richte seine Bitte an Gott - nicht an ein philosophisch-abstraktes Freiheitsideal.

Tübler verwies auf die Parallelen von Psalm 126 und Beethoven-Oper. Beider Schnittmenge sei der „Hoffnungskeim für Unterdrückte“. In Unrechtssituationen, zum Beispiel während kriegerischer Auseinandersetzungen, verleihe der Glaube Christen nicht nur die Kraft, für sich zu hoffen, sondern ihnen wachse zudem die Zuversicht zu, anderen Mut zusprechen zu können.

Kantor Johannes Pöld gestaltete den ersten „Vis-à-vis“-Gottesdienst an der Orgel in beeindruckender Weise. Zum Eingang und zum Ausgang spielte Pöld Motive aus der Fidelio-Ouvertüre, was die Gottesdienstbesucher nicht nur besonders aufhorchen ließ, sondern was sie zum Schluss auch mit viel Beifall bedachten.

Noch drei Gottesdienste im Rahmen des gemeinsamen Projekts von Theater und Kirche sind vorgesehen, und zwar an den Sonntagen 11. Januar, 15. März und 20. Juni, immer um 10 Uhr in der Erlöserkirche. Die Predigten halten Pfarrer i.R. Jochen Schwabedissen, Pfarrer Eko Alberts und Pfarrer Burkhard Krebber. Aufgegriffen werden die Landestheater-Vorstellungen „Der Besuch der alten Dame“, „Sugar (Manche mögen’s heiß)“ und „Die Hermannsschlacht“, jeweils samstags zuvor um 19.30 Uhr.

30.09.2008